Dr. med. Hertha Wiegand - Opfer des Nationalsozialismus

Hertha Wiegand (1890-1944) wurde am 6. Juli 1890 als Spross der Familie Lion in Ettenheim geboren. 1909 verließ sie das örtliche Realgymnasium als eine der ersten Abiturientinnen. Es folgte das Studium der Medizin in München, Freiburg i. Br. und Heidelberg. Von Oktober 1914 bis Juni 1915 arbeitete Hertha Wiegand als Assistenzärztin an der rheinischen Heilanstalt Grafenberg bei Düsseldorf. Im Lazarett, das der Heilanstalt angeschlossen war, wurden auch Soldaten behandelt, die durch die Detonation von Granaten traumatisiert worden waren. Die Patienten sollten durch Ruhe, Liegekuren und „suggestive“ Gespräche möglichst schnell genesen, um wieder an der Front einsatzfähig zu sein.

Über diese Erkrankung verfasste Hertha Wiegand eine Dissertation mit dem Titel „Granatkommotionsneurosen“, die 1915 an der Universität Freiburg angenommen wurde. 1915 heiratete sie den evangelischen Christen Dr. med. Otto Wiegand. Das Ehepaar eröffnete 1919 eine gemeinsame Praxis in der Offenburger Wasserstraße; sie für Frauen und Kinder, er als Facharzt für Chirurgie und Frauenkrankheiten. Hertha Wiegand behandelte u. a. auch die Unfruchtbarkeit. 1925 starb Otto Wiegand an seinen Kriegsleiden. Daher führte Hertha Wiegand die Praxis alleine weiter. 1920 wurde die Tochter Dorothea Wiegand, verheiratete Siegler-Wiegand (1920–2012) geboren.

 

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, drohte Hertha Wiegand ein Berufsverbot, das 1938 gemäß der vierten Verordnung des Reichsbürgergesetzes im vollem Umfang wirksam wurde. Weil sie in einer „privilegierten Mischehe“ gelebt hatte, blieb sie von der Deportation der badischen Juden nach Gurs am 22. Oktober 1940 verschont. Am 10. Januar 1944 wurde sie jedoch verhaftet, um mit der Bahn in das KZ Theresienstadt deportiert zu werden. Auf der Fahrt nahm sie eine Überdosis Schlaftabletten. In Karlsruhe wurde sie deswegen aus dem Zug geholt und in ein Krankenhaus gebracht, wo sie zwei Tage später starb.

 

Dr. Martin Ruch hat 2014 eine Biografie von Hertha Wiegand veröffentlicht. Der Nachlass von Hertha Wiegand wird vom Stadtarchiv Offenburg verwaltet. Im Offenburger Gewann „Kreuzschlag“ trägt eine Straße den Namen der einstigen jüdischen Ärztin. 2003 wurde für sie Ein Stolperstein gesetzt, der später jedoch von einem Unbekannten entwendet wurde. 2013 setzte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen einen neuen Stolperstein, um so das Andenken an die Verfolgte wachzuhalten. Die Schule für Kranke am Ortenauer-Klinikum in Offenburg trägt seit 2016 den Namen „Hertha-Wiegand-Schule“.

 

Bernd Rottenecker

 

Literatur

Breit, Rita: Die Offenburger Ärztin für Frauen und Kinder. Dr. med. Hertha Wiegand geb. Lion, 6.7.1890-12.1.1944. In: Die Ortenau 2006, 8. 151-152

Ruch, MartIn: Granatkommotionsneurosen. Die jüdische Ärztin Dr. Hertha Wiegand behandelte traumatisierte Soldaten. In: Die Ortenau 94 (2014), S. 303–308.

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