Friedrich Weill - ein Vater der badischen Verfassung

Friedrich Weill kam am 30. März 1858 als Sohn des Lahrer Arztes Max Weill (1832–1895) und der Elise, geb. Maier (1838–1905) zur Welt. Als einer der Väter der badischen Verfassung hat Friedrich Weill sich große Verdienste für die Republik Baden erworben – aber auch in der Geschichte seines Geburtsortes spielt er eine Rolle, war er doch der erste jüdische Mensch, der nach den Pestverfolgungen von 1349 in Lahr geboren wurde.

 

1858, im Jahr der Geburt Friedrich Weills, lebten noch vier weitere jüdische Personen in Lahr (Gesamtbevölkerung 7156), die wohl alle zu der Familie des Neugeborenen gehörten. Die Existenz einer jüdischen Familie in Lahr zu diesem Zeitpunkt ist verwunderlich, denn nach allgemeiner Auffassung durften Juden erst ab 1862 – dem Jahr ihrer rechtlichen Gleichstellung in Baden – in die Schutterstadt ziehen.

Offensichtlich war es den Lahrern nicht aufgefallen, dass unter ihnen eine jüdische Familie lebte, auch nicht ihrem Ratsgremium, das sich mit einer Petition vom 24. Februar 1862 an die II. Kammer des badischen Landtages für die Emanzipation der Juden stark machte: „Wenn irgendeine Gemeinde des Landes aus […] materiellen Rücksichten sich der Emanzipation wiedersetzen müsste, so wäre dies unsere Stadt, in welcher zur Zeit keine Israeliten sind.“

 

In seinen 1929 erschienenen „Erinnerungen eines alten Karlsruhers“ beschrieb Friedrich Weill, wie es seine Eltern nach Lahr verschlagen hatte. Ursprünglich wollte sein Vater Max Weill nach Abschluss des Medizinstudiums am liebsten wieder in seine Heimatstadt Karlsruhe zurück. Da aber „die Verhältnisse für eine sofortige Niederlassung als praktischer Arzt in Karlsruhe ungünstig lagen, ging er im Jahre 1856 nach Lahr und verheiratete sich 1857 im Alter von 25 Jahren mit meiner um 6 Jahren jüngeren Mutter, einer Rheinpfälzerin.“ Erstaunlich rasch integrierte sich die jüdische Familie in das protestantisch geprägte Bürgertum Lahrs: „Die Familie lebte in einfachen, aber angenehmen Verhältnissen, war überall wohl gelitten, die Praxis und damit das Einkommen des Vaters hatten sich von Jahr zu Jahr vergrößert; er war der gesuchteste Arzt in Stadt und Umgebung geworden. Meine Mutter und Tante hatten ihre Freundinnen unter den Frauen und Töchtern der sogenannten Honoratioren.“ Friedrich Weill besuchte das Lahrer Gymnasium. Obwohl er der jüngste in seiner Klasse war, erreichte er den ersten Platz unter seinen Klassenkameraden. Lebhaft erinnert er sich an die Streiche, die er mit seinen Lahrer Freunden ausheckte: „Meine Gespielen waren Kinder aller Stände, Söhne hoher Beamten wie von Tagelöhnern“.

 

1869 beschloss die Familie Weill, Lahr zu verlassen und nach Karlsruhe zu ziehen. Hintergrund dieser Entscheidung war die berufliche Belastung Max Weills als praktischer Arzt, der er sich auf Dauer gesundheitlich nicht gewachsen sah, sowie die Sorge um seinen Vater, der als Witwer al leine in Karlsruhe wohnte. Der Ortswechsel fiel den Eltern, besonders Elise Weill, schwer, aber noch schwerer dem elfjährigen Friedrich: „Ich selbst war tief unglücklich fast untröstlich; ich fürchtete, in der ‚Großstadt‘ Karlsruhe niemals heimisch zu werden.“ Aber auch in seiner neuen Umgebung fand sich Friedrich Weill rasch ein. Er ging an das Karlsruher Gymnasium, wo er 1874 die goldene Fichte-Medaille für die beste selbst geschriebene und frei gehaltene Rede verliehen bekam. Im Anschluss an das Abitur folgte das Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, Berlin und Straßburg. Nach seiner Promotion 1880 in Heidelberg arbeitete er als Rechtsanwalt zuerst in Mannheim und ab 1884 in Karlsruhe. Dort gehörte er viele Jahre dem Vorstand der Badischen Anwaltskammer an. 1886 ehelichte er Ida, geb. Herzfeld (gest. 1927). Aus der Ehe gingen vier Söhne hervor: Ludwig Alfred Ernst (geb. 1887), Albert Walther (geb. 1889), Richard (geb. 1891) und Max (geb. 1896).

 

Friedrich Weills Leidenschaft galt der Politik. Seine liberale Ausrichtung hatte ihm das Elternhaus vermittelt: „Mein Vater war ein gemäßigter Liberaler und machte daraus kein Hehl; jedem Radikalismus, auch auf dem religiösen Gebiet, war er abgeneigt.“ 1890 gehörte Weill zu den Gründern der linksliberalen „Freisinnig-Demokratischen Partei Badens“ (DDP), die er zwischen 1910 und 1918 als Landesvorsitzender leitete und in der Parteileitung im Reich vertrat. Am 16. November 1918 berief ihn die neue badische Regierung in eine vierköpfige juristische Expertengruppe mit dem Auftrag, einen Vorschlag für eine Verfassung des Freistaates Baden zu erarbeiten. Letztlich verhinderten die unterschiedlichen politischen Auffassungen das Zustandekommen eines gemeinsamen Textes; die Regierung entschied sich für den Entwurf des Sozialdemokraten Eduard Dietz (1866–1940), der nun Grundlage der weiteren Arbeit an der Verfassung wurde – unter Berücksichtigung der von Weil mit verfassten Vorlage.

 

Auch in der Lokalpolitik war Weill aktiv: Von 1893 bis 1899 war er Stadtverordneter, danach saß er bis 1919 im Karlsruher Stadtrat und in über zwanzig städtischen Kommissionen und Beiräten. Nach seinem Rückzug aus der Politik betätigte er sich in verschiedenen kulturellen und sozialen Einrichtungen Karlsruhes. Sein Engagement brachte ihm große öffentliche Anerkennungen, 1906 sogar das vom Hause Baden verliehene Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 verloren solche Ehrungen jeglichen Wert. Ein bereits von der Stadt Karlsruhe verfasstes Glückwunschschreiben zu Friedrich Weills 75. Geburtstag am 30. März 1933 wurde ihm nicht überbracht „mit Rücksicht auf die veränderten politischen Verhältnisse“, wie es hieß. Ob Friedrich Weill einer der beiden israelitischen Gemeinden Karlsruhes angehörte, ist nicht bekannt. In seinen sonst sehr ausführlichen Erinnerungen nimmt er keinen Bezug auf seine jüdische Herkunft. Als Gründer und Vorsitzender des Feuerbestattungsvereins Karlsruhe hatte er sich weit von traditionellen jüdischen Vorstellungen entfernt. Er starb am 3. Juni 1934 laut Sterberegister „ohne Religion“.

 

Jürgen Stude

Literatur

Feuchte, Paul: Weill, Friedrich, Rechtsanwalt, Freisinniger Politiker. In: Badische Biographien 1996, 5. 310-312

Steck, Volker: Friedrich Weill. In: Jüdisches Leben in Baden 1809 bis 2009, Ostfildern 2009, S. 236–237

Weill, Friedrich: Aus den Erinnerungen eines alten Karlsruhers. In: Pyramide, Wochenschrift zum Karlsruher Tagblatt, 1924

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