Siegfried Ucko

 

Rabbiner und Zionist

Siegfried Ucko war als Rabbiner von 1932 bis 1935 für 27 jüdische Gemeinden im Rabbinatsbezirk Offenburg/Bühl tätig – in einer Zeit, in der durch Hitlers Machtergreifung die Weimarer Demokratie vernichtet wurde und die Ausgrenzung und Unterdrückung der deutschen Juden durch die rassistische NS-Politik begannen.

Siegfried Ucko (1905-1976) wurde am 7. November 1905 als Sohn des Kaufmanns Nathan Ucko und dessen Ehefrau Else, geb. Weißenberg in Gleiwitz (Oberschlesien) geboren. Dort besuchte er das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, wo er 1924 das Abitur ablegte. Bereits in Jugendjahren war er in Gleiwitz in der zionistischen Jugendgruppe aktiv. Nach dem Abitur studierte er an den Universitäten Wien, Breslau und Königsberg Philosophie, Kunstgeschichte und Jüdische Theologie. 1927 promovierte er an der philosophischen Fakultät der Universität Königsberg. 1928/29 erwarb er an der Universität in Jerusalem den Titel des Rabbiners. 1929 begann Siegfried Ucko seine Tätigkeit als akademischer Religionslehrer und Jugendrabbiner in Mannheim.

Ucko hatte bereits in der Endphase der Weimarer Demokratie, als der Antisemitismus weite Kreise der Bevölkerung infizierte, erkannt, dass die deutschen Juden im NS-Staat keine Zukunft hatten. Geprägt durch seinen Aufenthalt in Jerusalem, verstärkte er seine Aktivitäten in der zionistischen Bewegung und wurde Mitglied in der „Hechaluz“-Bewegung. Diese Organisation betreute jüdische Palästina-Auswanderer (meist junge Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren) und bereitete sie auf eine Arbeit in der Landwirtschaft vor. Jüdische Kaufleute, Akademiker oder Künstler hatten seitens der britischen Mandatsverwaltung keine Chance auf eine Einreiseerlaubnis. Die Einwanderungswilligen mussten einen handwerklichen oder landwirtschaftlichen Beruf nachweisen. Siegfried Ucko gründete 1933 gemeinsam mit dem Friesenheimer Tierarzt Dr. Siegfried Dreifuß (1902–1987) das erste badische landwirtschaftliche Ausbildungslager für Palästinaauswanderer in Diersburg. Mehrere landwirtschaftliche Betriebe in Diersburg, u. a. der Rütti-Hof und die Familie Roeder von Diersburg, boten jüdischen Praktikanten die Möglichkeit einer drei bis fünf Monate dauernden Ausbildung. Im August 1935 lösten die NS-Behörden das Diersburger Ausbildungslager auf.

1932 trat Siegfried Ucko seine Stelle als Bezirksrabbiner in Offenburg an; von Bühl im Norden bis nach Ettenheim im Süden reichte sein 27 jüdische Gemeinden umfassender Bezirk. In Offenburg selbst lebten 1933 ca. 270 Juden. Die nach der Machtübernahme Hitlers 1933 erlassenen judenfeindlichen Gesetze und Verordnungen trieben die Offenburger Juden in tiefe Verzweifl ung, gleichzeitig aber hofften sie, dass die NS-Herrschaft nur von kurzer Dauer sein werde. Dieser Hoffnung wiedersprach der überzeugte Zionist Siegfried Ucko und warb für eine Auswanderung nach Palästina. Auch wenn seine Tätigkeit als Offenburger Bezirksrabiner nur zweieinhalb Jahre dauerte, war er doch eine prägende Gestalt für seine Gemeinden. Dies wurde in seiner bewegenden Abschiedsfeier am 6. Januar 1935 in der Offenburger Synagoge deutlich. In einem Artikel würdigte die „Jüdische Rundschau“ die Tätigkeit Uckos als Rabbiner: „Er hat in seiner Gemeinde den Typus eines Rabbiners entwickelt […], der nicht nur zu predigen gewohnt ist, sondern mit seiner Gemeinde lebte und sein Amt als eine Art ‚Volksmission‘ auffasst.“

Bereits im Januar 1935 wanderten Siegfried Ucko, seine Frau Ruth und eine 1934 geborene Tochter mit einem Hechaluz-Zertifi kat nach Palästina aus. Nach kurzer Zeit gelang es ihm, seine Mutter und seine Schwiegermutter nach Palästina zu holen. Dort war Ucko ca. elf Jahre lang als Lehrer und Erzieher in einem Kibbuz bzw. im Jugendheim in Kirjat-Balik tätig. Im Jahre 1938 ging er für kurze Zeit in das schon von den Nazis beherrschte Wien, um eine Gruppe von 50 Kindern auf eine Jugend-Alijah vorzubereiten.

1946 wurde er als Dozent an das Lehrerseminar in Tel-Aviv berufen und bald zum ordentlichen Professor der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Tel-Aviv ernannt.

In den 1970er Jahren hat Siegfried Ucko Offenburg besucht und sich auch den ehemaligen „Salmen“, wo sich einst die Synagoge befand, angesehen; seine Erschütterung über den Zustand des Gebäudes verhehlte er dabei nicht. Am 10. August 1976 ist Siegfried Ucko in Israel gestorben. Martin Ruch hat ihn in seinem Buch „Jüdische Persönlichkeiten aus Offenburg: Wissenschaft, Kunst und Kultur“ mit einer biografischen Skizze gewürdigt.

 

Bernd Rottenecker

Literatur

Ruch, Martin: „Jüdische Stimmen“, Gedenkbuch. Offenburg 1995

Ruch, Martin: Jüdische Persönlichkeiten aus Offenburg: Wissenschaft, Kunst und Kultur. Offenburg 2013

Stude, Jürgen: Ruth Ucko, geborene Ulimann — Erinnerungen einer Lahrer Jüdin. In: Geschichte der Stadt Lahr/hrsg. von der Stadt Lahr, Bd. 3., Lahr 1993, 5. 168-169

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