Hildegard Kattermann (1909–1991) hat sich vor allem um die Erforschung der Geschichte der Juden in Lahr und Nonnenweier verdient gemacht. Sie lüftete den Schleier des Vergessens und Verdrängens, der sich nach 1945 über die Geschehnisse während der NS-Zeit gelegt hatte. Zu einem Zeitpunkt, als sich in der Bundesrepublik allenfalls einige Universitätshistoriker mit der rassistischen Judenpolitik der NS-Regierung und der Vernichtung der europäischen Juden beschäftigten, erforschte sie das Schicksal der Lahrer Juden.
Hildegard Kattermann wurde 1909 in München als Tochter der Künstlerin Minna Becker und des Lehrers Karl Becker geboren. Seit 1912, als ihr Vater am Lahrer Scheffelgymnasium eine Stelle als Lehramtspraktikant angetreten hatte, lebte sie in Lahr. 1920 trat Hildegard Kattermann als Sextanerin in das Scheffelgymnasium ein und legte 1929 dort das Abitur ab. Anschließend studierte sie in Freiburg Germanistik und Geschichte. In der Mitte der 1930er Jahre unterrichtete sie in der Internatsschule Birklehof in Hinterzarten, ab 1944 an der Lahrer Oberrealschule (heute Max-Plank-Gymnasium) und ab 1949 am Lahrer Scheffelgymnasium, wo sie viele Jahre lang die einzige weibliche Lehrkraft war.
Bereits vor ihrer Pensionierung im Jahre 1974 begann sich Hildegard Kattermann intensiv mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und deren Konsequenzen für die Lahrer Juden auseinanderzusetzen. Ihre 1976 erschienene Broschüre „Geschichte und Schicksale der Lahrer Juden“ gehört zu den frühesten Arbeiten in Baden, die sich auf lokalgeschichtlicher Ebene mit der nationalsozialistischen Herrschaft und deren „Judenpolitik“ in der Region auseinandersetzten, und darf als wegweisend angesehen werden. Das gilt auch für ihre 1984 erschienene Arbeit „Das Ende einer jüdischen Landgemeinde Nonnenweier in Baden 1933–1945“.
In den vielen Jahren zwischen dem Beginn ihrer Recherchen und ihrem Tod 1991 hat Hildegard Kattermann sich intensiv um Kontakte zu überlebenden Juden bzw. deren Nachfahren aus Lahr und der Umgebung bemüht. Sie hoffte, über den Weg der Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden und der Dokumentation individueller Schicksale eine Aussöhnung zwischen Juden und Nichtjuden zu erreichen. Sie reiste viele Male nach Israel, knüpfte Kontakte und fand Freunde dort. Im Lahrer Stadtarchiv befinden sich aus ihrem Nachlass ca. 1500 Briefe ihrer Korrespondenz mit jüdischen Briefpartnern aus Israel und der ganzen Welt.
Hildegard Kattermann, die 1979 für ihr Engagement von der Stadt Lahr mit der Bürgermedaille ausgezeichnet wurde, hat mit ihren Forschungsarbeiten und mit ihrer Versöhnungsarbeit zahlreiche historisch interessierte Personen aus der Region dazu ermutigt, sich mit der Geschichte des Ortenauer Judentums auseinanderzusetzen. Die große Zahl der später erschienen Publikationen, die sich mit den jüdischen Gemeinden in der Ortenau beschäftigen, belegt dies. 2003 wurde in Lahr eine Straße nach ihr benannt; seit 2007 gibt es am Lahrer Scheffelgymnasium eine Gedenktafel, die an Hildegard Kattermanns Wirken erinnert.
Bernd Rottenecker
Literatur
Hildegard Kattermann (1909 - 1991). In: Scheffelgymnasium Lahr: 200 Jahre Scheffel-Gymnasium Lahr. Lahr 2004, S. 332-334
Kattermann, Hildegard: Geschichte und Schicksale der Lahrer Juden: eine Dokumentation. Lahr 1976