Stef Wertheimer, Unternehmer

 

 

Stef Wertheimer kam am 16. Juli 1926 im südbadischen Kippenheim zur Welt. Die Familie seines Vaters Eugen Wertheimer (geb. 1896) betrieb eine Mehl- und Futtermittelhandlung; die Familie seiner 1899 geborenen Mutter Lina (geb. Wertheimer) eine Metzgerei. So war Stef Wertheimer mit beiden Wertheimer-Linien verwandt, die sich Ende des 18. Jahrhunderts als Schutzjuden in Kippenheim angesiedelt hatten.

Die gutbürgerliche Familie war in das dörfliche Milieu integriert und als ehrbare Geschäftsleute bei jüdischen und christlichen Kippenheimern geachtet. Stef Wertheimer wuchs mit seinem jüngeren Bruder Peter Heinrich und seiner Schwester Doris in Kippenheim auf, besuchte dort die Volksschule und knapp ein Jahr lang das Ettenheimer Gymnasium. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, veränderte sich das Klima für die Familie wie auch für die anderen jüdischen Bürger Kippenheims. Anfeindungen waren an der Tagesordnung, die Geschäfte der Juden wurden anfangs boykottiert. 1936 entschieden sich die Wertheimers auszuwandern; im Februar 1937 verließen sie Hitler-Deutschland und siedelten nach Palästina über. Für Eugen Wertheimer, der freiwillig für sein Vaterland in den Ersten Weltkrieg gezogen war und bei Verdun ein Bein verloren hatte, war es ein tiefer Schock, als er Deutschland verlassen musste. Die Wertheimers kamen in ein Land, das ihnen fremd war, dessen Sprachen sie nicht verstanden, in dem sie aber nicht um ihr Leben fürchten mussten. Eugen Wertheimer hatte in Deutschland eine komplette Mühle in Einzelteile zerlegen, verpacken und nach Palästina transportieren lassen; dort wurde sie wiederaufgebaut. Nach drei Jahren verkaufte er die Mühle, da die Geschäfte nicht wie erwartet liefen.

 

Für den elfjährigen Stef begann eine schwierige Zeit; mit vierzehn verließ er ohne einen Abschluss die Schule, machte eine Lehre als Optiker und anschließend als Fotomechaniker. 1943 meldete er sich freiwillig zur britischen Armee und setzte in Bahrein die optischen Geräte britischer Kampfflugzeuge in Stand. 1945 schloss er sich dem Palmach an, der Eliteeinheit der jüdischen Untergrundarmee Hagana, diente als Technikoffizier und war in der Waffenproduktion tätig. Nach der Staatsgründung Israels 1948 arbeitete er für die „Israelische Verteidigungsarmee“ (Zahal) und kehrte schließlich 1950 in das Zivilleben zurück. 1948 heiratete er Miriam Wallach; das Paar bekam vier Kinder: Irith (geb. 1949), Eitan (geb. 1952), Ruthi (geb. 1957) und Iptach (geb. 1968).

 

1952 rief der Existenzgründer und Tüftler eine Kleinfi rma namens  ISCAR ins Leben. Heute ist ISCAR einer der führenden Hersteller von Werkzeugen zur Metallbearbeitung. In einer kleinen Hinterhofwerkstatt fi ng alles an; mit dem Motorrad fuhr Stef Wertheimer seine Tagesproduktion zu den Kunden. Was folgte, war ein kometenhafter Aufstieg. Aus der Hinterhofwerkstatt wurde eine kleine Fabrik, die sich zu dem heutigen Weltkonzern weiterentwickelte. Als ihm der amerikanische Finanzinvestor Warren Buffet 2006 ein lukratives Kaufangebot machte, griff Stef Wertheimer zu und verkaufte ihm 80 % der Firma. Heute ist ISCAR als Teil der IMC Group einer der größten Werkzeughersteller der Welt.

 

Ein Mann wie Stef Wertheimer zieht sich nicht in einen bequemen Ruhestand zurück, es gab noch andere Firmengründungen, um deren Leitung er sich kümmerte.1969 gründete er im Rahmen der israelischen Initiative, das damals über Israel verhängte französische Waffenembargo zu überwinden, die Firma Iscar Blades, später einer der größten Hersteller von Komponenten für Flugzeugturbinen. In Tefen in Galiläa baute er nordöstlich nahe der israelisch-libanesischen Grenze eine Industriezone auf, einen „industriellen Kibbuz“ mit 2000 Beschäftigten. Sieben Industrieparks besitzt er heute noch, sechs in Israel, einen in der Türkei. Neben der Fabrik in Tefen unterhalten die ISCAR Metalworking Companies (IMC) ein internationales Netz von Tochterunternehmen, darunter die ISCAR Germany im badischen Ettlingen. Weltweit arbeiten fast 9000 Menschen für den Konzern. Inzwischen hat Stefs Sohn Eitan seine Leitung übernommen.

 

Von 1977 bis 1981 war Stef Wertheimer Mitglied der Knesset, dem israelischen Parlament. Sein Biograf Klaus Kreppel nennt ihn den „Galiläer aus Kippenheim“. Selten und von der Öffentlichkeit kaum bemerkt kommt er in seinen Geburtsort Kippenheim, um auf dem Schmieheimer Friedhof die Gräber seiner Vorfahren zu besuchen. Er sei deutscher Jude und israelischer Staatsbürger, hat er in einem Zeitungsinterview geäußert. Die Restaurierung der Kippenheimer Synagoge im Jahre 1986 unterstützte er mit einem stattlichen Geldbetrag, schließlich seien hier seine Wurzeln, wie er betonte. 2015 erschien in Israel Stef Wertheimers Autobiografie „The Habit of Labor – Lessons from a Life of Struggle and Success“.

Für seine Lebensleistung erhielt Stef Wertheimer zahlreiche Ehrungen in Israel und in Deutschland, u. a. 2008 die Buber-Rosenzweig-Medaille oder 2012 von Bundespräsident Gauck das Große Bundesverdienstkreuz.

 

Bernd Rottenecker

Literatur

Kreppel, Klaus: Der Galiläer aus Kippenheim. In: Die Ortenau 2001, 5.487-451.

Schellinger, Uwe: Der Fall Kahn: die erste universitäre Debatte über „Hellsehen" und „Telepathie" am Ende des Kaiserreichs. In: Medizin, Okkultismus und Parapsychologie im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Wetzlar 2009, S. 100-122.

Wertheimer, Stefen: „The Habit of Labor. Lessons from a Life of Struggle and Success”. New York/London 2015.

 

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