Siegfried Schnurmann (1907–2004) der letzte Offenburger Kantor

Geboren wurde Siegfried Schnurmann 1907 in Offenburg. Die Vorfahren hatten bereits 1869 in Offenburg am Fischmarkt das Schuhgeschäft Valfer eröffnet. Urgroßvater Israel Valfer stammte aus Friesenheim, die Urgroßmutter Hannchen Hammel kam aus Neufreistett bei Kehl. Siegfrieds Mutter Rosa, geb. Valfer (1879–1944 Theresienstadt), heiratete den Kaufmann Elias Schnurmann (1868–1943 Theresienstadt), den letzten Inhaber des Schuhgeschäft Valfer.

Das Schuhgeschäft „Valfer-Schnurmann“ wurde gleich den anderen jüdischen Geschäften am 1. April 1933 boykottiert. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Vater Elias Schnurmann verhaftet und nach Dachau deportiert. Nach elf Tagen erfolgte die Entlassung. Er hatte unterschreiben müssen, sein Anwesen umgehend zu veräußern und Deutschland zu verlassen. Elias und Rosa Schnurmann flohen 1939 nach Luxemburg, wo sie von den deutschen Besatzern schon bald eingeholt wurden. 1943 folgte ihre Verschleppung nach Theresienstadt, wo beide gestorben sind: Elias Schnurmann am 2. Mai 1943 im Lager an einem Herzschlag, Rosa Schnurmann am 29. März 1944 in einem Altenheim. Dr. Martin Ruch hat 2016 Briefe von Rosa Schnurmann, die sie ihrem Sohn Siegfried aus dem Lager geschrieben hat, veröffentlicht.

Siegfried Schnurmann fl oh 1937 nach Dänemark und Schweden, wo es ihm gelang, eine Arbeit zu bekommen. Gleichzeitig bereitete er sich in einer Hachschará auf ein Leben und Arbeiten in Palästina vor. 1945 machte er seinen Traum wahr, wanderte nach Palästina aus und schloss sich dem Kibbuz „Dafna“ im Norden des Landes an. Dort arbeitete als Gärtner. 1948 kämpfte er als Soldat aufseiten des gerade ausgerufenen Staates Israel. Auf ähnlich ungewöhnliche Weise haben Siegfrieds Schwestern Berta (Jg. 1903) und Else (Jg. 1904) die Schoah überlebt.

1951 kehrte Schnurmann nach Deutschland zurück. Zuerst versuchte er in seiner Heimatstadt Offenburg wieder Fuß zu fassen. Nach einem kürzeren Aufenthalt in Baden-Baden zog er nach Freiburg, wo er beim Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde mithalf. Er leitete Gottesdienste, betreute Bedürftige und die Kranken der Gemeinde, beerdigte die Toten. Schließlich kam auch die Betreuung der Jüdischen Gemeinde Konstanz zu seinem Aufgabenkreis hinzu. In hohem Alter vertrat er den Zentralwohlfahrtsverband der Juden in der Liga der freien Wohlfahrtsverbände im Ortenaukreis. Landesrabbiner Nathan Peter Levinson verlieh Schnurmann 1972 den Titel „Freund der Thora“. Bundespräsident Friedrich von Weizsäcker zeichnete ihn 1992 für seine vielfältige Sozialarbeit mit dem „Verdienstkreuz am Bande“ aus.

In einem Gespräch mit Martin Ruch, der 1997 eine Biografie über Siegried Schnurmann veröffentlicht hat, erzählte Schnurmann, dass er als junger Mann gerne in die nahen Schwarzwaldberge wanderte. Er liebte deutsche Volkslieder und den Offenburger Dialekt. Er meinte, Hitler sei es zwar gelungen, die Juden aus ihrer deutschen Heimat zu vertreiben, ihre innere Anhänglichkeit an die Heimat habe er hingegen nicht austilgen können. Die Wertschätzung der Religion habe er von seinem Vater geerbt, der Hilfsvorbeter in der Offenburger Gemeinde war. Er selbst betätigte sich in der Jüdischen Gemeinde als Organist und Chorleiter. Die Verfolgung und millionenfache Vernichtung der Juden stehe für ihn im tiefsten Gegensatz zu seiner religiösen Überzeugung. Danach ist jeder Mensch ein „Ebenbild Gottes. […] Wenn man einen Menschen missbraucht oder quält, verneint man in ihm auch das Göttliche.“ Siegfried Schnurmann starb 2004 im Alter von 97 Jahren.  

 

Dieter Petri

Literatur

Ruch, Martin: In ständigem Einsatz: das Leben Siegfried Schnurmanns; jüdische Schicksale aus Offenburg und Südbaden 1907-1997. Konstanz 1979

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