Überschrift

Rabbiner Julius Greilsheimer (1890–1944 Auschwitz)

2001 brachte die Wählerliste „Grüne Liste Umweltschutz“ einen Antrag in den Gemeinderat von Friesenheim ein, eine neue Straße nach dem aus Friesenheim stammenden Mosbacher Rabbiner Julius Greilsheimer zu benennen. Mit dieser Straßenbenennung sollte nicht nur an Julius Greilsheimer, sondern an alle jüdischen NS-Opfer Friesenheims erinnert werden. Der Antrag fand keine Mehrheit im Friesenheimer Gemeinderat.

Julius Greilsheimer hätte der Verfolgung der Nationalsozialisten entkommen können, denn Rabbiner wurden bei der Vergabe einer Einreisegenehmigung für die USA gegenüber anderen Juden bevorzugt. Weil er sich entschied, bei seiner Gemeinde in Mosbach zu bleiben, wurde im Herbst 1947 ein Hain in Gan Joskar (heute in Israel) für den Mosbacher Bezirksrabbiner gepflanzt. Lange war nur wenig bekannt über sein Schicksal. 2016 gelang es drei Mosbacher Schülerinnen im Rahmen eines Geschichtswettbewerbes mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Julius Greilsheimer wurde am 29. April 1890 als siebtes von elf Kindern des Handelsmannes Isaak Greilsheimer (1852–1929) und seiner Gattin Sara Greilsheimer (1856– 1940) geboren. Die Angehörigen der Familie Greilsheimer galten unter ihren Glaubensgenossen als glaubensstarke Menschen. Auf dem Grabstein von Isaak Greilsheimer auf dem Schmieheimer Verbandsfriedhof ist das Symbol der „segnenden Hände“ eingraviert, was den Verstorbenen als Priester (hebr. Cohen; Mehrzahl Cohanim) ausweist. Da die Zugehörigkeit zu den Priestern über die männliche Linie erfolgt, gehörte sein Sohn Julius ebenfalls zu den „Cohanim“. Nach dem am Lahrer Gymnasium abgelegtem Abitur besuchte Julius Greilsheimer das Jüdisch-Theologische Seminar in Breslau und ließ sich dort zum Rabbiner ausbilden. Nach drei Jahren als Rabbinatskandidat in Freiburg übernahm er 1924 den Rabbinatsbezirk Mosbach–Merchingen–Wertheim. 1930 heiratete er die Handelslehrerin Karoline, geb. Schlessinger (1905–1944 Auschwitz). 1931 kam die Tochter Elfriede (1931–1944 Auschwitz) zur Welt, es folgten die Zwillinge Lore (1934–1944 Auschwitz) und Edith (1934–1944 Auschwitz).

Gleich nach seinem Amtsantritt im Oktober 1924 wurde Julius Greilsheimer gebeten, anlässlich der Einholung der Glocken der Mosbacher Stiftskirche eine Rede zu halten. Dass er dabei Christentum und Judentum positiv aufeinander bezog, brachte ihm die Sympathien der Mosbacher Christen ein. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war allerding davon nichts mehr zu spüren; umgehend wurde er von der Stadt Mosbach aus allen städtischen Veranstaltungen und Feiern ausgeschlossen. Am 10. November 1938 wurde er zusammen mit den anderen jüdischen Männern Mosbachs in das Konzentrationslager Dachau verschleppt, vorher hatte er miterleben müssen, wie die Nationalsozialisten im Beisein von hunderten Schaulustigen „seine“ Synagoge in der Frohndbrunnenstraße niederbrannten. Eine Zeitzeugin erinnert sich: „Am selben Tag dieses schlimmen Ereignisses traf sich Frieda Knopf mit den Töchtern des Rabbiners Julius Greilsheimer, die weinend dasaßen. Sie fragte die Kinder, warum sie weinen, worauf diese erwiderten: ‚Du würdest auch weinen, wenn dein Gotteshaus angezündet und abgebrannt worden wäre.‘“

Ludwig Greilsheimer kam erst am 29. November 1938 aus Dachau zurück. Die KZ-Haft hatte ihm klargemacht, in welcher Gefahr er und seine Familie nun schwebten. Entgegen dem ursprünglichen Plan, die Töchter zu den Großeltern in die Schweiz zu bringen, emigrierte die ganze Familie am 8. Januar 1939 nach Amsterdam. Die Flucht in die Niederlande erfolgte überstürzt, die Familie besaß keine Einwanderungspapiere und musste im Verlauf des Jahres 1939 mehrfach die Wohnung wechseln. Vermutlich Ende 1939 wurde sie von den niederländischen Behörden in das Lager Westerbork eingewiesen. Dieses Lager war für jüdische Flüchtlinge aus Deutschland bestimmt, wo sie sich auf eine Weiterwanderung nach Übersee vorbereiten sollten. Auch die Familie Greilsheimer betrieb von dort aus ihre Auswanderung. Im Dezember 1939 schickte es ein Einwanderungsgesuch an den in der Schweiz ansässigen Honorarkonsul der Republik El Salvador, Georges Mandel-Mantello (1901–1992), der für etwa 10 000 deutsche und österreichische Juden eine Nationalitätsbescheinigung ausstellte, darunter auch für die Familie Greilsheimer. Als diese am 16. Dezember 1943 in Westerbork eintraf, hatte sie jedoch jeden Wert verloren, denn aus dem mittlerweile in die Hände der SS übergangenen Lager gab es kein Entrinnen mehr. Die Familie Greilsheimer wurde am 8. Februar 1944 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich am 11. Februar 1944 ermordet.

Auf dem anlässlich des 75. Jahrestages des Novemberpogroms 1938 aufgestellten Gedenkstein am Mosbacher Synagogenplatz stehen die Namen der in der NS-Zeit ermordeten Mosbacher Juden. Dort finden sich neben den Namen von Julius und Karoline Greilsheimer auch die ihrer Töchter Elfriede, Lore und Edith und für Isbert Isaak Greilsheimer, den im Lager Westerbork am 15. Juli 1943 geborenen und noch am gleichen Tag verstorbenen Sohn des Ehepaars Greilsheimer.

 

Jürgen Stude

Literatur

Bechtold, Marie/Scheck, Laura/Zöge, Lisa Sophie: Vergesst es nicht! Wie sich die jüdische Gemeinde in Mosbach durch die NZ-Zeit veränderte. Unveröffentlichter Wettbewerbsbeitrag zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Mosbach 2017

Gänshirt/Siefert 1986: Gänshirt, Adolf/Siefert, Adolf: Ortssippenbuch Friesenheim. Lahr 1986

Herter, Balduin: Die Judengemeinde von Mosbach 1297 bis 1940. Mosbach im 3. Reich, 4. Heft. Mosbach 2008

Lowenthal. E. G.: Bewährung ım Untergang: ein Gedenkbuch/im Auftrag des Council of Jews from Germany, London. Stuttgart 1965

Stude, Jürgen: Die jüdische Gemeinde Friesenheim : Geschichte, Schicksale, Dokumente. Friesenheim 1988

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