Ivan Isaak Meyer - Chronist der Nonnenweierer Juden

Der am 21. November 1901 in Nonnenweier geborene Ivan Isaak Meier – die Schreibweise seines Nachnamens änderte er während einer Weltreise 1927/28 in Meyer – gehörte zu jenen akademisch gebildeten Juden, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – auch in den jüdischen Landgemeinden Badens – anzutreffen waren. Bildung war eine wichtige Voraussetzung für den beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg des Judentums in dieser Epoche. In Nonnenweier gehörten zu dieser Gruppe u. a. der SPD-Reichstagsabgeordnete Dr. jur. Ludwig Frank, die Rechtsanwälte Dr. jur. Hugo Schleicher und Dr. jur. Berthold Moch, der Mediziner Dr. Josef Wertheimer, die Gymnasialprofessorin Dr. Jenny Dreyfuß und Dr. Ivan Isaak Meyer. Martin Frenk hat das Leben und Werk des Juristen und Heimatforschers 2015 in der Jahresschrift „Geroldsecker Land“ beschrieben.

Als Sohn des Viehhändlers Max Meier (1872–1946) und dessen Ehefrau Clara geb. Wolf (1876–1962) wurde Meyer in der (heutigen) Nonnenweierer Hauptstraße 12 geboren. Die Meiers waren eine alteingesessene jüdische Familie. Ab 1910 ermöglichten die Eltern ihrem Sohn den Besuch des Großherzoglichen Gymnasiums in Lahr (seit 1948 Scheffel-Gymnasium). 1920 absolvierte der begabte Schüler das Abitur und begann im gleichen Jahr mit dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Freiburg.

Trotz der 1871 im ganzen Deutschen Reich erfolgten vollständigen rechtlichen Gleichstellung der Juden (in Baden bereits ab 1862) wurde diesen der Einstieg in den Bereich der staatlichen Justiz immer noch schwergemacht. Deshalb strebte Meyer, wie viele seiner jüdischen Kommilitonen, eine Tätigkeit in der freien Advokatur als Rechtsanwalt an – ein Weg, den vor ihm schon Ludwig Frank in Mannheim beschritten hatte. 1924 beendete Meyer sein Studium mit der Promotion und absolvierte bis 1927 sein Referendariat. In dieser Zeit erarbeitete im Auftrag der israelitische Gemeinde Nonnenweier eine Gemeindechronik anlässlich deren 220stem Jubiläums. Er wertete dafür das heute verschollene Archiv seiner Gemeinde aus, was seine Chronik zu einem wertvollen Dokument der jüdisch-badischen Geschichtsschreibung macht. Nach einer neunmonatigen Weltreise, die ihn auch nach Palästina führte, begann er 1928 seine Rechtsanwaltstätigkeit in Freiburg und erhielt eine Zulassung beim Landgericht Freiburg und bei den Amtsgerichten Lahr und Offenburg. Außerdem war er als Rechtsanwalt in Berlin tätig, wo er sich ab 1930 hauptsächlich aufhielt.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“, das am 10. April 1933 in Kraft trat, verlor Meyer seine Zulassung als Rechtsanwalt. Nachdem Juden auch die Möglichkeit, als „Rechtsberater“ im Bereich der zivilen Gerichtsbarkeit tätig zu sein, beschränkt wurde, emigrierte er Ende 1936 in die USA. Seine Eltern blieben in Nonnenweier zurück. Sie wurden am 22. Oktober 1940 in das Lager Gurs deportiert, ihr Vermögen wurde konfisziert. Die Eltern konnten das Lager Gurs 1942 verlassen, waren aber unter Aufsicht gestellt und mussten in der Region Armagnac bleiben. Sein Vater Max Meier starb 1946 in Frankreich, im gleichen Jahr holte Meyer seine Mutter in die Vereinigten Staaten.

Iwan Meyer hofften in den USA als Anwalt tätig sein zu können, aber sein deutsches Jura-Studium wurde in den USA nicht anerkannt, sodass sich dieser Plan zerschlug. Er resignierte nicht; nach bestandenem Sprachtest begann er – erneut – das Studium der Rechtswissenschaften an der renommierten Columbia Universität in New York, welches er 1940 mit dem Bachelor abschloss. Er setzte sein Jurastudium bis 1942 an der Fordham Universität (ebenfalls New York) fort, konnte aber wegen des Kriegseintritts der USA seine Abschlussprüfungen nicht ablegen. Das gelang ihm erst nach Kriegsende. 1946 eröffnete er unweit der New Yorker Börse eine Anwaltskanzlei und spezialisierte sich auf Erb- und Immobilienrecht, daneben erwarb er sich einen Ruf als Anwalt für jüdische Emigranten, die er bei ihren Entschädigungsforderungen vertrat.

Nach Kriegsende versuchte Meyer Entschädigungsansprüche seiner Mutter für deren enteignetes Vermögen und auch für seinen eigenen, in Deutschland zurückgelassenen Besitz durchzusetzen. In den zermürbenden Wiedergutmachungsverfahren hatten die Opfer die Beweislast bezüglich ihrer Ansprüche zu tragen. Erst 1962 wurde seiner Klage stattgegeben und er erhielt eine Entschädigung. Trotz vieler bitterer Erfahrungen vergaß Ivan Meyer seine „Heimat“ Nonnenweier nicht. 1972 besuchte er Nonnenweier und Lahr und spendete mehrmals Geld zur Erhaltung des jüdischen Friedhofs in Nonnenweier.

 

Bernd Rottenecker

Literatur

Frenk, Martin: Geachtet, geduldet, entrechtet: Erinnerungen an Rechtsanwalt Ivan Issak Meyer aus Nonnenweier. In: Geroldsecker Land 2015, 5. 22-45

Hanna Meyer-Moses: Reise in die Vergangenheit. Heidelberg, Ubstadt-Weiher [u.a.] 2009

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