Der Betsaal in den 1930er Jahren

 

 

Über das Aussehen des Betsaals sind wir durch ein Foto informiert, das in den 40er Jahren von der Zwischenempore aus aufgenommen wurde.

Man kann sich heute noch vorstellen, wie überwältigend der Raumeindruck des durch die vielen Fenster beleuchteten Betsaals an einem sonnigen Tag gewesen sein muss. In diesem natürlichem Licht, ergänzt durch die künstliche Beleuchtung von drei Deckenleuchtern und anderen Lichtspendern, wird auch die Wandmalerei zur Geltung gekommen sein.

 

Das architektonische Zentrum der Synagoge war der mächtige Toraschrein an der Ostwand. Er barg mehrere Torarollen mit den fünf Büchern Mose. Die Betonung des Toraschreins durch eine monumentale Architektur ist eine Entwicklung, die erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzte. Sein hoher Aufbau als Tempelfront folgte der Gliederung der Eingangsfassade mit seinen beiden mit Kapitellen gezierten Säulen (Jachin und Boas), dem breiten Treppenaufstieg, den in das Obergeschoss reichenden Zinnenkronen und dem Dreiecksgiebel mit den Zehngebotetafeln. Er erhielt durch diese Erhöhung eine Bedeutungsfunktion, die beim Jerusalemer Tempel dem Heiligsten und dem Allerheiligsten als dem Wohnsitz Gottes zukam. Die Inschrift des Schreins lautete „lch habe den Herrn beständig vor Augen"” (aus Psalm 16,8).

 

Vor dem Schrein hing ein Vorhang, dessen Stickereien einen Leviten mit einer Wasserkanne und einen Priester zeigte, Der mit Sandsteinplatten ausgelegte Mittelgang bot Platz für den Almemor, dem Pult, von dem aus an den Gottesdiensten die Wochenabschnitte aus der Tora verlesen wurden. Der Almemor stand auf einer erhöhten Plattform. Auf seiner dem Schrein zugewandten Seite war ein hölzerner Tisch mit einer schräg gestellten Platte. Auf der anderen Seite war eine Sitzbank angebracht, wo die zur Lesung eines Toraabschnittes gerufenen Platz nahmen.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme stand der Almemor im östlichen Drittel des Betsaales nahe beim Toraschrein. In der Vorgängersynagoge im Judengäßle hatte er seinen Platz in der Mitte des Raumes. So war er von allen Seiten einsehbar und die Lesung der Tora gut zu hören. Seine zentrale Position entsprach der zentralen Bedeutung des Lesens der Tora in der jüdischen Religion. Zwischen Tora und Almemor stand der Amud, ein Stehpult, von dem aus der Vorsänger seine Gebete sprach.

Der Konfessionalisierung und der Anpassung der Juden an christliche Gepflogenheiten im Verlauf des 19. Jahrhunderts sind die Längsemporen geschuldet, von denen aus die Frauen die Gottesdienste verfolgen konnten. Die hölzernen Pfeiler der Emporen waren mit Stuckkapitellen geschmückt. Durch die Frauenemporen und seinem länglichen Grundriss glich der Synagogenraum dem Bild einer protestantischen Kirche. Auch die Ausstattung mit fest installierten Bänken der Männer orientierte sich am Kirchenbau.

 

In den Jahrhunderten zuvor nutzen die Beter mobile Pulte, die sie beim Gebet zur Ostwand Richtung Jerusalem drehten und bei der Thoralesung in die Synagogenmitte Zum Lesepult. In der neuen Synagoge wandten sich die Betenden nur noch zur Ostwand, wie es in den ebenfalls geosteten Kirchen der Fall ist. Das von der Decke hängende Ewige Licht soll an die Menora und den Leuchter im Stiftzelt bzw. im Tempel von Jerusalem erinnern (2. Mose 27,20, 3. Mose 24,2). Das Ewige Licht findet sich auch in katholischen Kirchen. Da die Gottesdienste in den frühen Morgen- und in den Abendstunden stattfinden, ist die Beleuchtung in einer Synagoge von großer Bedeutung, deshalb die Kronleuchter. Sie wurden bei der Schändung des Synagogengebäudes im November 1938 herab gerissen. Die Haken, an denen sie hingen, sind noch vorhanden.

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