Spiegel-Online über Inge Auerbacher
Holocaust-Gedenkrednerin Inge Auerbacher "Für Hass bin ich nicht am Leben geblieben" Als Kind überstand Inge Auerbacher das Lager Theresienstadt – ein Zoom-Anruf in New York voller Überraschungen. Artikel in Spiegel-online
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Spiegel Online über den Besuch von Inge Auerbacher im Deutschen Bundestag
Ein Beitrag von Igal Avidan im SWR2 am 27. Januar 2022
Musikalisch-Szenischer Darstellung "Ich bin ein Stern". Aufgeführt am 2. Februar 2022 in der Ehemaligen Synagoge Kippenheim
Rede von Inge Auerbacher zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2022 vor dem Deutschen Bundestag
httpps://www.youtube.com/watch?v=4m9wP2iYuTM
Inge Auerbacher wurde 1934 geboren und war das letzte in Kippenheim geborene jüdische Kind. Ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie in ihrem Geburtsort, im Mai 1939 zog ihre Familie nach Jebenhausen bei Göppingen, von wo sie im August 1942 als Siebenjährige in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt wurde. Nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee am 8. Mai 1945 kam die Familie zunächst in ein Flüchtlingslager in Stuttgart. Ein Jahr später wanderte sie in die Vereinigten Staaten aus und ließ sich in New York nieder. Nur wenige Monate später bannte eine Lungentuberkuloseerkrankung Inge Auerbacher für 2 Jahre aufs Krankenbett. 1966 besuchte sie zum ersten Mal Kippenheim (siehe Bericht unten) und das ehemalige Konzentrationslager Theresienstadt, viele weitere Aufenthalte in Deutschland folgen.
Neben ihrer medizinischen Berufstätigkeit schrieb sie Gedichte und Geschichten, mit denen sie ihre Erlebnisse des Holocausts verarbeitete. Ihr bekannteste Werk ist das Buch "Ich bin ein Stern", in dem sie aus der Sicht des Kindes von der Zeit der Verfolgung durch das Nazi Regime und der Haft im KZ-Theresienstadt berichtet.
1986 veröffentlichte Inge Auerbacher ihre Kindheitserinnerungen als Kinderbuch unter dem Titel „I am a Star: Child of the Holocaust“. Das 1990 auf Deutsch erschienen Buch "Ich bin ein Stern" hat viele Auflagen erfahren und liegt in sieben Sprachen vor. Ihren weiteren Lebensweg beschreibt sie in ihrem 1995 erschienenen Buch „Beyond the Yellow Star to America.” (Deutsch 2005: „Jenseits des gelben Sterns”). 2006 setzte sie dem Entdecker des Antibiotikums Streptomycin Albert Israel Schatz (1920-2005) ein Denkmal aus Dankbarkeit für ihre Genesung von der Tuberkulose mit ihrem neuesten Buch „Finding Dr. Schatz: The Discovery of Streptomycin and a Life It Saved”.
2015 erschien im Hartung-Gorre Verlag, Konstanz Inge Auerbachers „22 Gedichte zu 'Ich bin ein Stern'“ in der Übersetzung von Susanne Bruckner.
Inge Auerbacher kam 1966 zum ersten Mal nach Kippenheim. Es sollte nur ein kurzer Besuch werden:
„Auch meinem Geburtsort Kippenheim stattete ich einen Besuch ab. Ich ging an unserem ehemaligen Haus vorbei, betrat es jedoch nicht. An einige Straßen konnte ich mich noch erinnern. Die Synagoge, die während der "Kristallnacht" am 9./10. November 1938 teilweise zerstört wurde, diente nun als Lagerhaus für Tierfutter. Ich unterhielt mich kurz mit einigen Leuten und fuhr dann mit einem Taxi zum jüdischen Friedhof ins nahegelegene Dorf Schmieheim, wo Papas Eltern ruhen. Sie waren lange vor der Hochzeit meiner Eltern gestorben, und ich hatte sie nie kennengelernt. Dieser Friedhof machte, im Gegensatz zu dem in Jebenhausen, wo sich die örtliche Verwaltung um die Instandhaltung kümmerte, einen vernachlässigten Eindruck. Grabsteine waren umgestoßen, und auch das Gras schien lange Zeit nicht gemäht worden zu sein. Das Grab meiner Großeltern war jedoch intakt. Sanft berührte ich die rauen Steine und folgte dem jüdischen Brauch der Erinnerung, indem ich einen kleinen Kieselstein auf den Grabstein legte. ‚Großvater und Großmutter’, sprach ich zu ihnen mit leiser Stimme, ‚es tut mir so leid, dass ich euch nie kennen lernen durfte. Aber ihr hattet Glück, dass ihr diese schreckliche Zeit nicht erleben musstet. Ich vermag es mir nicht auszumalen, was vielleicht mit euch geschehen wäre.’ Ob sie meine Worte hörten? Zwitschernde Vögel unterbrachen die Stille, und ich war dankbar für den Stimmungswechsel. Am Friedhofseingang verweilte ich am Denkmal für die gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs. Auch unser Familienname war unter den Opfern aufgeführt. Wir waren geachtet als loyale deutsche Staatsbürger. Wie konnte dann nur eine derartige Tragödie über uns hereinbrechen? Ich begriff es nicht.
Die Einheimischen begegneten mir freundlich und behaupteten, sie persönlich seien immer gegen das Naziregime gewesen und hätten die Juden niemals gehasst. Ich verließ sie mit sehr gemischten Gefühlen. Die Uniform-Mützen der Polizisten erinnerten mich an die brutalen SS-Offiziere. Obgleich sie höflich waren und mich auch nicht anschrien, bekam ich Angst, als ich die deutsche Sprache aus ihrem Mund hörte. Wenn wir daheim deutsch sprechen, klingt es ganz anders, und ich verbinde unser Deutsch mit den warmen Gefühlen von Zuhause, den Erinnerungen an meine Großeltern und nicht mit Befehlen und Krieg.“